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Von der Kraft des Innehaltens – 9. November 2014

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Der Verein Hufewiesen Trachau hat sich in diesem Jahr erstmals an dem Jahrestag des 9. November 1938 zum Gedenken an die Opfer der Verfolgungen während des „Dritten Reiches“ beteiligt. Wir besuchten die Stolpersteine für die Familie Steinhart am Trachenberger Platz und für Hans Martin Wendisch in der Hans-Sachs-Straße. Unsere Beweggründe dafür sind in unserer Einladung an die Mitglieder des Ortsbeirates Pieschen zu dem Gedenken erläutert. Wir danken den Menschen im Verein Stolpersteine für Dresden für die Anregung und für die Organisation!

Ein Abend im November. Dunkel und kalt. Kaum jemand auf der Straße.

Doch. Da vor dem Haus. Ein kleines Windlicht auf dem Trottoir. Ein Kreis von Menschen. Beim Näherkommen wird deutlich: Da liegen auch Blumen. Neben einer kleinen Messingplatte, die ins Pflaster eingelassen ist. Darauf eingeritzt Namen, Orte, Datumsangaben. „Ermordet“. „Verschollen in Riga.“

Windlicht. Blumen. Fotografien als Brücken in die Zeit damals. Stolperstein für Hans Martin Wendisch in der als Ginko-Allee gestalteten Hans-Sachs-Straße.

Windlicht. Blumen. Fotografien als Brücken in die Zeit damals. Stolperstein für Hans Martin Wendisch in der als Ginko-Allee gestalteten Hans-Sachs-Straße.

Es war nur eine kurze Zeremonie. Ich war vor allem aus Pflichtgefühl hingegangen. Witzelte mit, als es darum ging, mit welchem Hausmittel sich die Stolpersteine am besten polieren ließen.

Und dann, nachdem die Lebensläufe noch einmal verlesen worden waren, als wir einfach dastanden, still, da geschah etwas. Wie ja so oft das eigentlich Wichtige in den kleinen Pausen des Lebens geschieht.

Der Alltag im November 1938 war gar nicht so verschieden von dem Alltag im November 2014. Ab 1942 dann allerdings schon. Die Zeitungen voll von Todesanzeigen für Gefallene. Lebensmittel rationiert. Alle mobilisiert. Fliegeralarm. Wer hat da noch Gedanken übrig für die Nachbarn, die das Geschäft verkaufen mußten und die Arbeit verloren haben, die jetzt auch aus der eigenen Wohnung raus sollen und ins „Judenhaus“ umziehen? Später wird von einem Transport in Güterwaggons gemunkelt. Mehr weiß man nicht. Die eigenen Sorgen drängen.

Dabei braucht es nur ein paar Minuten der Stille. Da die Alltagssorgen einmal beiseite bleiben, erholt sich das Herz, faltet sich auf. Kann empfindsam werden für den Menschen nebenan. Die Gewichte in der Wahrnehmung verschieben sich.

Es entsteht Raum für eine Einsicht:

Nicht im Durchkommen liegt das Heil.
Kein Weg führt zu einer Welt ohne Schrecken.
Es bleibt nur eins zu tun: den Schrecken aufheben. Von Mensch zu Mensch. Jetzt.

So einfach. Und nur so: von Mensch zu Mensch, jetzt.

Windlicht in einer Novembernacht.
Innehalten.
Kraft.

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